So entstand Ückendorf

Quelle:  Wikipedia  (CC-by-sa-3.0),

 

Die Entstehung Ückendorfs ist eng mit der Siedlungsgeschichte der altgermanischen Stämme verbunden, die zwischen dem vierten und dem siebten Jahrhundert auch im Bruchland an der Emscher sesshaft wurden. Es wird vermutet, dass sich die ersten Ückendorfer Siedler nach ihrem Anführer „Hugo“ oder „Hukko“ als „Huginge“ oder „Hukkinge“ bezeichneten, woraus sich der ursprüngliche Name „Hugingsdorf“ ableitete. Die wohl überwiegende Zahl der Höfe und Kotten war der Großgrundherrschaft des Stiftes Essen angehörig. Um 1254 wurde Ückendorf als Haupthof des Stiftes Essen erstmals urkundlich erwähnt.

 

Bis in die Neuzeit hinein blieb die dörfliche Struktur Ückendorfs unverändert. Die Gemeinde bestand aus einigen Bauernhöfen, deren Namen – wie etwa Niermann, Schüffler, Schulte-im-Hofe, Dördelmann, Grollmann – sich noch heute in den Straßennamen Ückendorfs wiederfinden. Im Jahre 1486 lebten in Ückendorf 60 Einwohner, die sich im Wesentlichen auf 14 Höfe verteilten; 1855 waren es 337 Einwohner. Als Bauerschaft zählte Ückendorf zum Kirchspiel und späteren Dekanat Wattenscheid, das dem Erzbistum Köln angehörte.

Zeche Holland, Schacht I und II, um 1910
Zeche Holland, Schacht I und II, um 1910

Das rasche Wachstum Ückendorfs begann erst Ende des 19. Jahrhunderts durch den Ruhrbergbau. Mit dem Beginn der Kohleförderung auf der Zeche Holland im Jahre 1856, auf der Zeche Rheinelbe im Jahre 1861 und auf der Zeche Alma im Jahre 1872 „explodierte“ die Bevölkerungszahl binnen 35 Jahren auf das Vierzigfache (1855: 337 Einwohner; 1875: 5.275 Einwohner; 1890: 13.129 Einwohner). In kurzer Zeit entstand in Ückendorf die entsprechende Infrastruktur. Dazu gehörten 

  • (1899), die Rheinelbeschule in der heutigen Carl-Mostert-Straße,das 1905 im Stil der Weserrenaissance errichtete – heute nur noch zu Wohnzwecken genutzte – Knappschaftskrankenhaus in der Knappschaftsstraße, das anfänglich über 200 Betten verfügte,
  • die Bergarbeitersiedlung Flöz Dickebank (sie ist in ihrer äußeren Struktur noch weitgehend unverändert erhalten und vermittelt einen guten Eindruck der damaligen Wohnverhältnisse),
  • die 1874 in Betrieb genommene Bahnstrecke Osterath–Dortmund Süd der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft über Bochum nach Dortmund (ein Relikt aus dieser Zeit ist der – heute genau auf der Stadtgrenze von Bochum und Gelsenkirchen liegende – Bahnhof Gelsenkirchen-Wattenscheid),
  • die Almaschule an der heutigen Hohenfriedberger Straße (1883), die Parkschule in der Parkstraße
  •  das Elektrizitätswerk (das bis 2004 in einigen baulichen Resten auf dem Werksgelände der Firma W. Geldbach noch erkennbar war),
  • der 1906 stillgelegte Schlachthof an der Ückendorfer Straße Ecke Dördelmannshof,
  • die katholische Kirche St. Josef, deren Grundstein am 11. November 1894 an der Ecke Ückendorfer Straße und Südstraße (heute Virchowstraße) gelegt wurde (Die Pfarrgemeinde St. Josef wuchs in den 1920er Jahren zur größten Pfarrgemeinde Deutschlands.),
  • die evangelische Nicolaikirche, die am 15. März 1894 an der Ecke Ückendorfer Straße und Nordstraße (heute Flöz Sonnenschein) eingeweiht wurde
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Zeche Alma um 1907

Aufgrund seiner Größe wurde Ückendorf im Jahre 1876 ein eigenes Amt im Landkreis Gelsenkirchen und löste sich damit vom Amt Wattenscheid. Erster Amtmann war Hermann Schaefer, ihm folgte 1879 Adalbert Cramer (an den heute noch die Bezeichnung der Straße Cramerweg erinnert). Das erste Amtshaus stand in der Ziegelstraße; später wurde ein neues Amtshaus in der Knappschaftsstraße (Ecke Bochumer Straße) errichtet und das erste Amtshaus zum Armenhaus umgewidmet.

 

Am 1. April 1903 wurde Ückendorf (damalige Schreibweise der Gemeinde: Ueckendorf) ein Teil der neu entstehenden Großstadt Gelsenkirchen und verlor damit seine Eigenständigkeit.[1] Zu diesem Zeitpunkt zählte die Gemeinde 21.937 Einwohner. Der ab dem 1. April 1896 amtierende letzte Amtmann, Carl von Wedelstaedt, war von 1919 bis 1928 erster Oberbürgermeister Gelsenkirchens.

1935 gründete der Soziologe Wilhelm Brepohl die Forschungsstelle für das Volkstum im Ruhrgebiet, die ihren Sitz zunächst in Brepohls Wohnung und dann im Verwaltungsgebäude der Glück-Auf-Brauerei  in Ückendorf hatte.

 

Im Zweiten Weltkrieg zählte Ückendorf neben Scholven zu den am meisten bombardierten Stadtteilen Gelsenkirchens. Allein am 17. Januar 1945 gingen bei einem schweren Luftangriff auf Ückendorf 46 Sprengbomben, zwei Luftminen, 2.300 Brandbomben und 250 Phosphorbrandbomben nieder. Die Befreiung vom nationalsozialistischen Regime erfolgte Anfang April 1945 durch US-amerikanische Truppen, die sich in den Ückendorfer Straßen zuletzt einen Häuserkampf mit dem Volkssturm und dem – mit Panzerfäusten, historischen Waffen, Sensen und Dreschflegeln ausgestatteten – Freikorps Sauerland lieferten. Nach der Niederschlagung dieser letzten Widerstände zogen die US-amerikanischen Truppen – begrüßt von vielen überlebenden Ückendorfern, an die die Amerikaner Zigaretten verteilten – mit Sherman-Panzern über die Bochumer Straße in den Stadtteil ein.

Quelle:

Stephanie Reekers: Die Gebietsentwicklung der Kreise und Gemeinden Westfalens 1817–1967. Aschendorff, Münster Westfalen 1977, ISBN 3-402-05875-8, S. 287.

Johannes Weyer: Die Forschungsstelle für das Volkstum im Ruhrgebiet (1935–1941). Ein Beispiel für Soziologie im Faschismus. In: Soziale Welt, 35: 1984, S. 128 PDF (Memento vom 29. Juni 2015 im Internet Archive)

 



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